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Architekt(o)ur in Burgtiefe

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Conny August 2022

Die noch 10 Tage gastierende Ausstellung „Gesamtkunstwerke - Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ zeigt die Hintergründe zur Entstehung des Seebades Burgtiefe. Der Hochhauskomplex mit den drei Türmen sticht von vielen Blickwinkeln auf der Insel ins Auge, schon bei der Fahrt über die Brücke entdeckt man die Wahrzeichen am Südstrand. Doch Wenige wissen, dass es sich hier um eine gesamte durchgeplante Anlage aus den 60er Jahren der weltbekannten dänischen Architekten Arne Jacobsen und Otto Weitling handelt. Den anderen kann jetzt geholfen werden. ;-)

Für die Bebauung fand in den 1960er Jahren ein Wettbewerb statt, aus dem als Sieger der Entwurf von Jacobsen und Weitling hervorging. „Kernpunkte des Plans der Dänen waren: Respekt für die Landschaft, behutsame Eingriffe und Bauten mit dem "Haus des Gastes" als Zentrum, dem Kurmittelhaus und dem Wellenbad in unmittelbarer Nachbarschaft. Hinzu kamen Bungalows, Apartmenthäuser und die drei Türme, die mit bis zu vier Stockwerken wesentlich niedriger geplant waren, als das Resultat mit 17 Etagen (Quelle: Die Krone der Insel - Fehmarn, Deutschland - THE LINK – Stadt. Land. Architektur.). Die Aufstockung von 13 Etagen zum ursprünglichen Entwurf war den wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Bauherren geschuldet.

 

Ich habe die Ausstellung besucht und versuche meine Eindrücke so wiederzugeben, dass Euch die Gedanken und Besonderheiten bei der Erschaffung des Südstrandareals nähergebracht werden. Das Auge des Betrachters ist natürlich immer sehr individuell, aber vielleicht blickt ihr demnächst mit einem etwas geöffneteren Auge auf den Südstrand und die oft kritisierten „Betonklötze“.

Was ist das Besondere, das die Architektur der beiden Dänen ausmacht? Beim Gang durch die Ausstellung versuche ich noch einmal alles auf mich wirken zu lassen, was ich in den letzten Monaten zu den Architekten erfahren habe.

Was mir immer wieder begegnet, sowohl in den Ausstellungsgegenständen als auch im Ausstellungsgebäude, dem ehemaligen Haus des Gastes - ebenfalls ein Bau der dänischen Architekten - sind die klaren Strukturen, die Abstimmung von Linien und Formen aufeinander sowie von Farben. Ich habe den Eindruck, als wandele ich durch ein Meer von Linien. Auffällig ist, dass man, egal wo man steht, überall Fluchtlinien folgen kann. Es gibt immer einen interessanten Blickwinkel, der meist weit in den Raum hineinreicht und eine Wohltat für das Auge ist. Oft fangen die Linien an einer Seite des Raumes an, und ziehen sich bis zum Ende durch, enden aber auch manchmal in einer Rundung. Auch die Unterbrechung ist ein Teil der speziellen Architektur.

 

Die Besonderheit dieser reduzierten, klaren architektonischen Formsprache würde ich als eine „Formsprache der Wirkung“ bezeichnen. Auffällig und besonders interessant ist der Aspekt der Modernität. Nichts wirkt verstaubt oder antiquiert oder „hausbacken“, wie man es auch nennen will.

Im Teilbereich der Möbelausstellung überkommt einen irgendwie ein „Ikea-Gefühl“, da man heute die klassischen skandinavischen Formen von Ikea kennt und diese überall in die heutige Möbelarchitektur Einzug erhalten hat. Beim Betrachten hat man den Eindruck, als würde man vor einem Grundgerüst der skandinavischen Möbelarchitektur stehen. Und alles wirkt so stimmig. Jede Form in ihrer Schwingung und/oder die zugrunde liegende Idee scheint absolut perfektioniert.

Was die Ausstellung und das Werk und Schaffen der Architekten so interessant macht, ist eine umfassende Herangehensweise an die Arbeit, die Arne Jacobsen, wie er selbst sagt, ohne Philosophie kreiert hat: „Ich habe keine Philosophie, am allerliebsten sitze ich im Studio“, so beschrieb er seine Arbeitsauffassung. 

Auf der einen Seite entsteht der Eindruck, dass er mit sehr viel Pragmatismus und praktischer Betrachtung der Gegenstände an seine Architektur herangegangen ist. Auf der anderen Seite wirkt alles sehr durchdacht und perfekt gestaltet. Vielleicht ist auch das eine Reibung, die der Betrachter als angenehm empfindet. Textilien waren ebenso Teil seines Schaffens wie Leuchten, Badarmaturen, Bestecke, Aschenbecher, Salz und Pfefferstreuer, Uhren und eben Möbel. Daher wurden auch Hotels, wie das heutige IFA Hotel, komplett ausgestattet. Auch im Haus des Gastes hat er vom Stuhl bis zur Lampe das Aussehen der Innenarchitektur geprägt.

 

Einen wichtigen Aspekt empfinde ich durch die Kenntnis der Hintergründe zum Südstrandareal, dass Arne Jacobsen auch sozial inspiriert war, soziale Ideen in seine Architektur hat einfließen lassen. Das aufgebaute Miniatur-Modell der Siedlung in Burgtiefe zeigt noch einmal sehr anschaulich die Gedanken zur Unterteilung der Bauten und der Geländebebauung: Zum einen ist sehr viel Platz gelassen worden, ohne Abgrenzungen, um sich darin aufzuhalten und gemeinsam den Platz zu nutzen. Zum anderen sind die eher funktionalen und sehr geraden Linien der Gebäude durch organische Formen und Bewegungen so „aufgelockert“ worden, dass sie die Formen der Natur wiederspiegeln und etwas Weiches, Zugewandtes vermitteln. Formen, in denen sich die Bewohner wohlfühlen sollen, wenn sie darin leben und sich bewegen.

Zum Abschluss des Rundganges durch die Ausstellung entdecke ich noch ein Zitat von Arne Jacobsen. Es gibt seine Einschätzung zu seinem Vorbild, dem Architekten Mies van der Rohe, wieder und vermittelt noch einmal ein weitergehendes Verständnis seiner Architektur. Über Mies van der Rohe, der als der bedeutendste Architekt des Modernismus im 20. Jahrhundert gilt, und den auch Arne Jacobsen „für den bedeutendsten Architekten unserer Zeit“ gehalten hat, sagt er: „Der unbestechliche Sinn für das materialgerechte, die Ausschaltung aller modischen Strömungen, die Reduzierung aller Gestaltung auf das Wesentliche im Zusammenspiel mit einem klaren Blick für gute Proportionierung führten zu jener Schlichtheit, die ich seither in seinen Bauten, Möbeln und Details bewundert habe. Ich fühlte eine starke Verwandtschaft zu Mies van der Rohe.“ Meiner Meinung nach beschreibt diese Einschätzung gut sein eigenes Schaffen und erklärt auch die heutige Modernität Arne Jacobsens und seine Bedeutung.

Jede und jeder muss selbst erfahren, was für sie oder ihn Architektur bedeutet. Wie sie oder er Architektur persönlich empfindet. Mir hat die intensive Auseinandersetzung mit den dänischen Architekten noch einmal den Blick geweitet auf die Architektur am Südstrand.

Es gibt also viel zu entdecken, auch hinter dem Strand. ;-)

Vielleicht macht Ihr demnächst auch einmal eine Architekt(o)ur durch Burgtiefe. Viel Entdecker-Freude dabei!

Eure Conny

 

Kommentare

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  • Marion
    27.08.22, 12:02

    Sehr gut und sehr informativ liebe Conny. Nun ist mir der Architekt Arne Jakobsen ein wirklicher Begriff. Gerne würde ich mir die Ausstellung ansehen.

Das müssen meine freunde sehen!

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